Ciao, ich bin Gottara

Gottara ist aufgeregt. Sie hüpft umher und singt lauthals vor sich hin: «Glückstag, Glückstag, heute wird mein Glückstag! Heute wird’s bombastisch!»
Es ist eigentlich mehr ein Schreien als Singen, denn zum Packen ihrer Tasche hört sie laute Hard-Rock-Musik. Naja, schliesslich will sie heute einen harten Brocken knacken. Dafür braucht sie genügend Werkzeug und Sprengstoff im Gepäck.

Sie hat auf der Klickbox den anderen Zugpferdli eine Einladung geschrieben: «Treffpunkt: 10 Uhr in Erstfeld. Mitnehmen: Hammer, Ohrenschutz.»

Bevor sie loszieht, schaut Gottara kurz in ihrem Sammulseum vorbei. Sie ist stolz auf die vielen Versteinerungen von Muscheln und Farnblättern, kleinen Krebsen und Schnecken … und einem Fisch! Wenn alles nach Plan verläuft, kommt heute ein grosser Ammonit dazu. AM-MO-NIT! Das ist ihr neues Lieblingswort.

Gottara liebt alles, was aus Stein ist, vor allem Felsen und Berge. Sie liebt aber auch die weichen Sitze im bequemen Zug, der sie dorthin bringt. Genau wie ihre Freunde.

Während der Anreise aus allen Richtungen fragen sich die anderen Zugpferdli, was Gottara wohl dieses Mal vorhat. Will sie wieder mal einen Stapel Altpapier in die Luft sprengen oder nach einem Piratenschatz graben? Vielleicht einen Tunnel nach Australien buddeln? Bei ihr weiss man nie.

In Erstfeld trifft sie Vralpi, Esteban, Aarelina und Rhy-Nex wie immer unter einer Sitzbank.

Gottara erklärt: «So, jetzt gehen wir wandern und klettern!»

Vralpi und Rhy-Nex schauen sich verdutzt an.

«Was? Muss das sein?»

«Oh nein!», ruft Aarelina. «Wollen wir nicht zuerst etwas trinken? Ein Glas Sirup?»

Einzig Esteban freut sich aufs Klettern und zieht sofort mit Gottara los. Die anderen huschen hinterher.

«Erzähl doch zuerst, was du überhaupt vorhast», ruft Vralpi.

«Heute gehts auf Schneckenjagd», antwortet Gottara über ihre Schulter.

«Mit Hammer und Sprengstoff?», fragt Aarelina keuchend.

«Sammelst du neuerdings Schnecken?», will Esteban wissen.

«JEIN!», ruft Gottara. «Schaut, wir sind schon da. Jetzt müssen wir nur noch raufklettern.»

Endlich stehen sie vor den Steinbrocken, die Bauarbeiter aus einem Lastwagen gekippt haben. «Da hat es gewiss keine Schnecken», meint Vralpi enttäuscht.

«Doch, hier», ruft Gottara von oben. Sie deutet auf einen Stein mit Rillen, «hier ist ein grosser Ammonit versteinert.»

Aufgeregt erklärt sie den anderen, dass Ammoniten eine Art Ringelschnecken sind, die vor Abermillionen Jahren gelebt haben. Sie besitzt bereits ein paar kleine Ammoniten, aber dieser hier ist bombastisch.

Gottara bohrt Löcher in den Stein und füllt diese mit Sprengstoff.

Alle in Deckung! Kurz darauf folgt der Knall. Esteban jubelt: «Voll Action!»

Jawohl! Der Stein ist halbiert, man sieht schon mehr vom Ammoniten.

Gottara jauchzt vor Freude: «Heute ist mein Glückstag!»

Vralpi schüttelt nur den Kopf und murmelt: «Ach neminee! Steine zertrümmern soll glücklich machen? Also mich nicht.»

Mit Hammer und Meissel beginnen sie noch mehr vom Stein wegzuspitze und Aarelina hat schnell genug davon. Ihre Aufmerksamkeit gilt stattdessen einem hübschen Wasserfall zum Knipsen. Da sie Selfies mit Wasser sammelt, wird sie wie magisch davon angezogen. Vralpi hat gerade eine schöne Brücke entdeckt, die er mit der Klickbox fotografiert und dann in seinem Heft abzeichnet.

Rhy-Nex legt häufig Pausen ein und beobachtet viel lieber Vögel.

Einzig Esteban hämmert und meisselt wie wild – stundenlang.

«Hey, pass auf!», ruft ihm Gottara immer wieder zu. «Nicht, dass der Ammonit zerbricht!»

Die Versteinerung bleibt ganz, aber … das ist ja gar kein Ammonit! Gottara kann es nicht fassen. Sie veranstaltet einen Freudentanz und ruft voller Begeisterung: «Das ist ja ein versteinertes Zugpferdli. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Das heisst ja, wir existieren schon seit Millionen von Jahren. Das ist ja BOMBASTISCH! Wow!»

Beim Transport zum Bahnhof staunen ihre Freunde nicht schlecht: Gottara kann sogar Lastwagen fahren.

Die stolzen Fossilienfinder nehmen den Zug über die Bergstrecke in den Süden. Da gibt es für alle etwas zu sehen: Felsen und Schluchten für Gottara, Wasserfälle für Aarelina, Vögel für Rhy-Nex, ganz viele Brücken für Vralpi und Türme für Esteban – den Kirchturm von Wassen sogar dreimal!

«Wisst ihr was? Das gibt una grande Festa!», verkündet Gottara.

Darauf hatten alle gehofft. Insgeheim sind sie deswegen überhaupt mitgekommen.

«Jöö, so schön! Gibt es Marronitorte?», fragt Aarelina unschuldig.

«Natürlich. Auch Panettone und noch viel mehr», verspricht Gottara ihrer Freundin.

Bei Gottara feiern die Zugpferdli die halbe Nacht lang. Warum auch nicht, schliesslich existierten sie schon seit Millionen von Jahren.

Was für ein Glückstag! Bombastisch!